Rodeln

 

 

Von den «Russischen Bergen» auf die Kunsteisbahn

 

Im 17. Jahrhundert entstanden in Russland vor allem in der Gegend um das heutige Sankt Petersburg und in Moskau – später hierzulande auf so bezeichneten „Russischen Bergen“ oder auch „Rutschbergen“. Bei Wintertemperaturen wurden Rampen aus Holz mit Schnee und Eis bedeckt, sodass auf einer mehrere Zentimeter starken Eisschicht diese künstlichen „Berge“ hinuntergerutscht werden konnte. Um die Vereisung zu halten, wurde sie täglich mit Wasser übergossen. Als „Schlitten“ wurden zunächst Eisblöcke benutzt, auf denen ein Sitz aus Holz und Wolle für die Fahrer befestigt wurde. Die Bahnen waren vor allem unter der reicheren Bevölkerung und Adeligen beliebt und wurden teilweise aufwendig gestaltet, dekoriert und mit Bäumen umpflanzt. Häufig ist zu lesen, Napoleons Soldaten hätten die unter dem französischen Namen Montagnes Russes bekanntgewordene Erfindung während des Russlandfeldzugs kennengelernt und sie mit nach Westeuropa, insbesondere nach Frankreich gebracht. Es gibt aber Berichte, nach denen schon 1804 im Quartier des Ternes in Paris ein Russischer Berg in Betrieb war. Wegen häufiger Unfälle wurde er stillgelegt.

 

Russische Truppen brachten sie 1813 erneut nach Paris, von wo aus sie sich auch im deutschsprachigen Raum eine gewisse Zeit verbreiteten. Man fuhr nun auch ohne Eis auf Schlitten, die in Schienen glitten, „… welche am Ende des Wegs oft eine aufrechte Schlinge bildeten, die man, durch die Zentrifugalkraft gehalten, mit nach unten hängendem Kopf durchfuhr“.

 

Der Schlittensport wurde Anfang des 19. Jahrhunderts populär. Anfänglich wurden Holzschlitten wie der Davoser Schlitten oder der Grindelwalder Schlitten verwendet. Daraus entwickelten sich die Wintersportarten Rennrodeln und Bob. Das erste Rodelrennen war 1883 in Davos. 1888 entwickelte ein Engländer den Bob, indem er zwei Schlitten hintereinander mit einem Brett verband. Damals wurden die Rennen ausschließlich auf natürlichen Rodelbahnen ausgetragen, also auf Waldwegen, die vorwiegend zum Holztransport angelegt waren.

 

1910 fand das erste Rodelrennen auf einer Kunstbahn statt. Die Trennung in zwei eigenständige Sportarten erfolgte 1964, als die Rennen auf der Kunstbahn in das olympische Programm aufgenommen wurden. Daraufhin wurden auch die Europa- und Weltmeisterschaften nur noch auf diesen Bahnen ausgetragen, bis 1970 die erste Rennrodel-Europameisterschaft auf Naturbahn-EM stattfand.

 

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Rodelrennen ausschließlich auf verschneiten Waldwegen gefahren, die teilweise ein bis zwei Meter hohe Schneewände an den Kurvenaußenseiten aufwiesen. Ab 1910 begann man eigens für den Rodelsport Bahnen anzulegen und die überhöhten Kurven zu vereisen, um sie länger befahrbar zu machen. Die ersten Kunstbahnen waren entstanden. Da nur wenige solche Bahnen verfügbar waren, fuhr man zumeist weiterhin auf Waldstraßen, die keine überhöhten Kurven hatten. Diese Naturbahnen wiesen eine ebene Bahnsohle auf. Bis in die 1960er Jahre gab es noch keine formale Trennung zwischen Kunst- und Naturbahnrodeln und die Sportler waren nicht spezialisiert. Für beide Bahntypen wurden dieselben Rodeln verwendet und das Wettkampfreglement unterschied sich nicht. Wegen der geringen Anzahl von Kunstbahnen fanden die meisten Wettkämpfe auf Naturbahnen statt, erst in den 1950er Jahren wurden vermehrt Kunstbahnen gebaut. Nach der Olympiapremiere 1964 trennte sich die Entwicklung von Kunst- und Naturbahnrodeln. Alle bis dahin ausgetragenen Welt- und Europameisterschaften wurden nachträglich als Kunstbahnwettkämpfe gewertet, ungeachtet dessen, ob sie wirklich auf Kunst- oder, wie meistens der Fall, auf Naturbahn ausgetragen wurden. 1966 gründete sich innerhalb des Internationalen Rennrodelverbandes (FIL) eine eigene Naturbahnkommission, die sich ausschließlich um diese Sportart kümmerte. Für den in den Alpenländern sehr populären Naturbahnrodelsport wurden eigene Wettbewerbe durchgeführt. Ab 1967 gab es den Europapokal, 1970 führte man in Kapfenberg die erste Europameisterschaft durch und 1979 wurde in Inzing die erste Weltmeisterschaft ausgetragen. Seit 1992 gibt es einen Weltcup, der in sechs Wertungsläufen pro Saison wie bei den internationalen Meisterschaften im Einsitzer der Herren und Damen sowie in einem Doppelsitzer ausgetragen wird. Daneben gibt es den Interkontinentalcup, der hauptsächlich zur Förderung des Nachwuchses dienen soll. Bei Welt- und Europameisterschaften wird auch ein Mannschaftswettbewerb mit je einem Einsitzer von Frauen und Männern und einem Doppelsitzer durchgeführt. Junioreneuropameisterschaften gibt es seit 1974, Juniorenweltmeisterschaften seit 1997. Es hat sich ein Rhythmus entwickelt, bei dem in ungeraden Jahren Weltmeisterschaften und Junioreneuropameisterschaften ausgetragen werden und in geraden Jahren die Europameisterschaft und die Juniorenweltmeisterschaften. Der Internationale Rennrodelverband unternimmt seit den 1970er Jahren Versuche für die Anerkennung des Naturbahnrodelns als olympische Disziplin, scheiterte allerdings bisher bei allen Versuchen, eine Aufnahme dieses Sportes in das Programm der Olympischen Spiele zu erreichen.

 

Seit 1957 gibt es die Fédération Internationale de Luge de Course (FIL), die sich als eigenständige Rennrodel-Organisation von der FIBT abspaltete. In dieser sind neben den Bobfahrern auch weiterhin die Sportler des, dem Rennrodeln sehr ähnlichen, Skeleton-Sports organisiert. In Deutschland sind alle drei Sportarten im Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) zusammengefasst.


Beim Rennrodeln auf Kunstbahn – auch Kunstbahnrodeln genannt – wird mittlerweile fast nur noch auf einer Kunsteisbahn (Eiskanal mit künstlicher Kühlung und erhöhten Kurven) gerodelt, wobei der Fahrer auf dem Rücken liegt. Gelenkt wird durch Beindruck, Verlagerung des Oberkörpers und durch Ziehen der Griffe mit den Händen. Die ideale Fahrweise ist dabei, sich so flach wie möglich auf dem Rodel zu halten. Das Beschleunigen beim Start erfolgt durch beidhändigen Zug und Abstoß von den Bügeln, sog. Startabzug und anschließend durch kurze Schläge mit den Händen auf das Eis, sog. Paddelschläge.

 

Wettbewerbe finden traditionell in vier Disziplinen statt: Einzel (Frauen und Männer), Doppelsitzer (Frauen und Männer) und in der Teamstaffel (je ein Einzel Frauen, Einzel Männer sowie Doppelsitzer Frauen und Doppelsitzer Männer). Im Doppelsitzer-Wettbewerb wurde zunächst keine Geschlechtertrennung angewendet, es durften sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen. Aufgrund der anderen körperlichen Voraussetzungen bestanden Doppelsitzer-Teams im Leistungssport allerdings seit den 1960er Jahren fast ausschließlich aus Männern. Bei internationalen Meisterschaften wurde auch ein Mannschaftswettbewerb (beide Einzel und Doppelsitzer) ausgetragen, bei denen die drei erzielten Zeiten addiert wurden. Der Mannschaftswettbewerb wurde durch die Teamstaffel abgelöst. Hier fahren die Rodler einer Mannschaft direkt hintereinander, wobei durch Anschlagen eines Brettes im Ziel das Starttor für den nächsten Rodler geöffnet wird. Die Teamstaffel ist seit der Saison 2010/11 Teil des Weltcups;[8] seit 2014 ist sie auch olympische Disziplin. Außerdem gibt es seit dem Winter 2014/2015 die Disziplin Sprint (Frauen, Männer, Doppelsitzer). Dabei gibt es nur einen Lauf mit fliegendem Start, das heißt die Zeitnahme beginnt frühestens hundert Meter nach dem Start.[9] Der Sprint war 2016 bei den Weltmeisterschaften auf der Kunsteisbahn Königssee erstmals Weltmeisterschaftsdisziplin. Im Weltcup gibt es derzeit keine separate Sprint-Wertung.

 

Der Rodelsport ist seit 1964 Olympiadisziplin. Zudem finden Weltmeisterschaften seit 1955 statt. Artverwandt mit dem Rodeln ist Skeleton, welches, im Gegensatz zum Rodeln, auf dem Bauch liegend gefahren wird. Zudem hat der Rennrodelschlitten wie der Bobschlitten bewegliche Kufen, was beide Sportarten letztlich stark vom Skeleton unterscheidet, wo fest montierte Kufen verwendet werden.

 

 

(Quelle: Wikipedia)